Gelungenes Chaos

Das Theater im OP bringt das Stück Diener zweier Herren auf die Bühne. Bei der Premiere am 23. Juli 2025 kommt das Publikum aus dem Lachen nicht mehr raus. Mit gelungenem Humor und schrulligen Figuren spielen sich die Schauspieler:innen aus Diener zweier Herren in die Herzen der Zuschauenden.

Von Laslo Gitzel

Bild: Dirk Opitz (Caspar Kotschate als Truffaldino und Lou Wolfert als Florindo Aretusi)

Die Frage, ob man zwei Herren dienen kann, wurde schon vor 2000 Jahren beantwortet – von Jesus. Seine klare Antwort: Nein. Wer einem Herrn dient, vernachlässigt zwangsweise den anderen. In der Bergpredigt bezog sich Jesus auf Gott und Geld. Der venezianische Dramatiker Carlo Goldoni griff diesen Gedanken Jahrhunderte später auf und entwickelte das Stück Diener zweier Herren – eine Komödie über einen Diener, der an der Aufgabe, zwei menschlichen Herren zu dienen, scheitert.

Die Handlung beginnt in Venedig: Hier möchten Rosaura (Tochter des Kaufmanns Pandolfo) und Silvio Lombardi heiraten. Plötzlich taucht Rosauras totgeglaubter Verlobter Frederigo Rasponi auf – oder besser gesagt: jemand, der sich als Federigo ausgibt. In Wirklichkeit ist es Frederigos Schwester Beatrice Rasponi, verkleidet als ihr Bruder. Pandolfo besteht nun pflichtbewusst darauf, dass sich Rosaura an ihr erstes Eheversprechen hält. Doch die als ihr Bruder verkleidete Beatrice hat nicht vor der Liebe von Rosaura und Silvio im Weg zu stehen, sondern hält die Täuschung nur solange aufrecht, bis sie ihr eigenes Ziel erreicht hat. Beatrice ist nach dem plötzlichen Tod ihres Bruders in einer schlechten finanziellen Lage. Sie hat es mit ihren letzten Mitteln bis in die Stadt geschafft und hofft nun, etwas an ihrer misslichen Lage ändern zu können. Der Kaufmann Pandolfo verwaltet einen Teil vom Geld ihres Bruders. Durch die Maskerade hofft sie auch ohne Vormund an das Geld zu kommen und gleichzeitig ihren Verlobten Florindo Aretusi wiederzutreffen, der des Mordes an ihrem Bruder beschuldigt wird. In ihrer Begleitung befindet sich ihr Diener, die vielleicht wichtigste Figur des Stückes: Truffaldino. Während Beatrice also ihre Interessern verfolgt, beschließt ihr Diener Truffaldino, dass es sich für seinen Geldbeutel und den ständig leeren Magen mehr lohnt, zeitgleich noch für einen zweiten Herren zu arbeiten, der kurz nach ihm und Beatrice in Venedig eintrifft und Bedienstete sucht. So wird er zum titelgebenden Diener zweier Herren, was ihm jedoch, so viel sei verraten, mehr Schwierigkeiten bereiten wird, als er erwartet.

Aus der Sitcom-Klischeekiste

Obwohl das Stück bereits 1746 von Carlo Goldoni uraufgeführt wurde, wirkt es erstaunlich modern. Das darin verarbeitete Konzept von Selbstüberschätzung und Schusseligkeit wirkt vertraut und unterhaltsam, da es in Sitcoms seit über 60 Jahren immer wieder genutzt wird: Der:die Protagonist:in hat zwei Verabredungen am gleichen Abend und statt eine zu verschieben, finden beide gleichzeitig statt. Was folgt, sind Verwechslungen, Ausreden und am Ende fliegt klassischerweise alles auf. Truffaldino befindet sich in ähnlicher Lage. Während er denkt, zwei Herren würden seinen Lohn erhöhen und den Magen füllen, bringt ihn die Mehrarbeit und Gleichzeitigkeit der Vorkommnisse und Aufträge immer wieder in die Bredouille. Er holt beispielsweise Briefe für seine Herren ab, verwechselt aber die Schreiben und gibt sie jeweils den falschen Herren. In einer anderen Szene bringt der Kellner das Abendessen für einen der Herren und Truffaldino weiß nicht, wem er es nun auftischen soll. Besonders unterhaltsam wird diese Dynamik, wenn Truffaldino den falschen Herren zum Duell rausschickt und der eben noch liebestolle Ex-Bräutigam plötzlich mit Schweigen und unbeholfenen Smalltalk, auf den anderen, ihm unbekannten Herren reagiert. Der Diener stolpert immer wieder über seine eigene Unaufmerksamkeit. Er ist mit den Gedanken oft woanders und merkt sich nicht, durch welchen Herren er welche Person kennt. Auch kann der Diener nicht richtig Lesen und Schreiben, was die Täuschung nicht gerade erleichtert. Es ist also gar nicht mal so leicht für Truffaldino, den Überblick zu behalten, besonders wenn immer nur von seinem »Herrn« gesprochen wird, wo er doch zwei hat.

Trotz der bekannten Klischee-Verwechslungen erstaunlich erfrischend. Wahrscheinlich ist das dem guten Spiel zu verdanken, besonders dem von Truffaldino. Er verkörpert eine überschwängliche Frohnatur, einen sich selbst überschätzenden Narr, der schnell die Sympathie der Zuschauer:innen gewinnt. Truffaldino hat es nicht leicht, aber durch schnelle Reaktionen und kreative Ausreden schafft er es lange Zeit, sein Lügenkonstrukt aufrecht zu erhalten.

Minimalismus für einen einzigartigen Look

Besonders hervorzuheben ist der Look des Bühnenbilds: Es wirkt simpel und mit wenig Material umgesetzt. Neben zwei beweglichen Türrahmen spielt während des Stücks Papier eine entscheidende Rolle. Die meisten Requisiten sowie Teile der Kostüme bestehen aus Papier. Das fängt beim ausgefallenen Kragen des Dottore Lombardi an und endet beim Alltäglichen: Wann immer ein Löffel oder eine Blume gebraucht wird, zieht Truffaldino geschwind ein neues Blatt aus der Papierwestentasche, um den entsprechenden Gegenstand mit laienhaften Origamikünsten aus Papier zu formen.

Die Interpretation des ThOPs von Diener zweier Herren zeigt, wie gut das Stück als Komödie noch immer funktioniert. Die Stimmung ist heiter und weil fast jeder Witz zündet, ist der Saal die meiste Zeit mit Gelächter gefüllt. Es ist eines dieser Stücke, bei denen man merkt, dass die Darsteller:innen genauso viel Spaß an der Inszenierung haben wie die Zuschauer:innen. Die Stärke des Stücks liegt in der Komik, die sich durch diverse Missverständnisse, Verwechslungen und Situationen, die immer weiter eskalieren, auf das Publikum überträgt. Der Humor hat etwas Alltägliches und Nahbares und ist dadurch enorm gut gealtert: Man kann ihn als zeitlos bezeichnen. Dazu kommen ein schnelles Tempo in der Erzählung und eine erstaunliche Dichte, mit denen die Witze erzählt werden. Neben dem Humor sind Goldonis Figuren bemerkenswert gut dargestellt. Selbst eine eher kleine Rolle wie die des Kellners, der die Pausen mit einer Glocke und überzeichneten Gesten beendet, amüsiert das Publikum und wird heimlicher Favorit vieler Zuschauer:innen.

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