Experten, Quacksalber und Co.

Experten sind überall vertreten und haben zu allem etwas zu sagen. Doch sind Experten wirklich so wichtig wie zahlreich, oder kann man an mancher Stelle nicht doch auf sie verzichten?

Von Lina Petri

Bild: Les Expertes, Alexandre-Gabriel Decamps; Foto von Gind2005 via Wikimedia / CC BY-SA 3.0

Sucht man bei Google-News nach dem Wort »Experte«, bekommt man sogleich einen umfangreichen Einblick in die mediale Welt der Sogenannten. Sie sind überall und haben zu Allem etwas zu sagen: Frankreich-Experten, TV-Experten, Terrorismus-Experten, EM-Experten oder Immobilien-Experten, hinter jedes Kürzel und jedes Wort findet man den Begriff gesetzt. Ob Politik, Unternehmensberatung oder das heimische Wohnzimmer, kaum ein Bereich bleibt von Expertise verschont. Doch warum ist das so und handelt es sich bei diesen Menschen tatsächlich um Experten? Wie sieht das in der Politik aus, die bei jeglichen Entscheidungen Experten heranzieht? Sind diese immer unabhängig und kann ihre Expertise überhaupt objektiv sein? Und liegt die Ursache des starken Expertenaufkommens in der zunehmenden Unsicherheit der Menschen angesichts einer vermeintlich immer verwirrender werdenden Welt begründet?

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Ruben Pfizenmaier u.a. (Hg.)
Auf dem Markt der Experten. Zwischen Überforderung und Vielfalt.

Büchergilde Gutenberg, Frankfurt am Main 2016
203 Seiten, 18,85€

Diese und weitere Fragen haben sich Studierende der Angewandten Literaturwissenschaft an der Freien Universität Berlin gestellt und als Redaktionsteam in Zusammenarbeit mit der Büchergilde Gutenberg Experten auf dem Gebiet der Experten herangezogen, die diese Fragen in einer Reihe von Aufsätzen und Interviews beantworten sollen. In »Auf dem Markt der Experten – Zwischen Überforderung und Vielfalt« schreiben 16 Autorinnen und Autoren unterschiedlicher Bereiche über ihren eigenen Expertenstatus und über Grenzen und Möglichkeiten des Expertenwissens. So kommen Soziologen, Journalisten, Autoren, Fernsehmoderatoren und Strategieberater zu Wort und berichten uns von ihren Erfahrungen und Ansichten. Unter den Autoren befinden sich auch zwei Mitarbeiter der Universität Göttingen. Der Leiter des Instituts für Demokratieforschung Franz Walter setzt sich mit Expertokratie auseinander und fragt sich, ob diese eine Bedrohung für unsere Demokratie darstellt. Laut ihm stehen Experten in der Politik letzten Endes der Pluralität bürgerlicher Interessen im Weg, da die Entscheidungsgewalt auf ein paar wenige Individuen beschränkt bleibt. Das ursprüngliche Modell der Demokratie und des Parlamentarismus sei durch die heutige Komplexität der Gesellschaft nicht mehr zeitgemäß und der Frust der Bürger darin begründet, dass sie durch die zunehmende Intransparenz der Politik immer weniger Einfluss auf diese nehmen können.

Des Weiteren setzt sich Prof. Dr. Walter Reese-Schäfer, Inhaber des Lehrstuhls für politische Theorie und Ideengeschichte an der Universität Göttingen, im Kapitel V unter dem Titel »Das Verschwinden der Experten: Welche Expertise wird verzichtbar, wenn die Wutbürger doch noch mündig werden?« mit der Experteninflation und der Selbstbestimmung einzelner Individuen auseinander.

Und nicht zuletzt erzählen populäre Mediengestalten wie Ralph Caspers von ihrer Arbeit im Bildungsfernsehen. In Sendungen wie »Quarks und Co« oder auch »Der Sendung mit der Maus« vermittelt der Moderator seinem Publikum Wissenswertes aus der Welt. Und doch stellt er im Interview klar, dass er höchstens »Experte fürs Nichtwissen« sei und sich vor jeder Sendung selbst erstmals mit den gefragten Themen auseinandersetzen muss. Selber denken nicht vergessen!

Die Vielfalt an Autorinnen und Autoren macht das Sachbuch zu einem facettenreichen und spannenden Buch. Es ist nicht nur informativ, sondern unterhält den Leser auch mit einer Prise Ironie angesichts der Erkenntnis, dass die Kritik an den Experten selbst von Menschen kommt, die irgendwie welche sind. Doch, das wird in der Einleitung von »Auf dem Markt der Experten« betont, solle sich der Leser »mit den angebotenen Positionen und Perspektiven auseinandersetzen und sie weiterdenken«, weshalb es »in diesem Sinne« eben doch »kein Buch von Experten« sei. Das Buch soll Denkanstöße geben und keinesfalls dem Leser das Denken abnehmen. Darüber hinaus macht einem das Buch klar, wie abhängig und beeinflusst jeder von uns von Experten ist. Und selbst das eigene Expertenwissen haben wir uns oft nur von anderen Experten angeeignet. So krönen sich etliche Menschen auf Facebook und Co zum Experten in Sachen Tierschutz, Terrorismus oder auch in Sachen Ernährung oder Fitness, ohne zu bedenken, dass dieses Wissen auch nur Wissen zweiter Hand ist.

Egal bei welcher Angelegenheit, es gibt immer jemanden, der mehr weiß, der Experte auf einem Gebiet ist, und den wir deshalb zu Rate ziehen. Angesichts dieser permanenten Anwesenheit von Experten und ihres Einflusses auf alle Lebensbereiche, ist es gut, dass es Menschen gibt, die einen daran erinnern, differenziert und reflektiert an das Wissen zu gehen, welches täglich an uns herangetragen wird. Besonders da Experten gerade dann gefragt werden, wenn Unsicherheit herrscht, ist es von äußerster Bedeutung, dass man sich nicht von populistischen oder geldgierigen Pseudo-Experten in die Irre führen lässt. So ist »Auf dem Markt der Experten« auch als ein Appell an den Leser zu verstehen, eigenständig zu denken und sich nicht einfach auf die Expertise anderer zu verlassen, auch nicht auf die dieses Buches. Denn

»jede Botschaft, die über ein Hilfsmedium gesteuert wird, erhebt auf dem ihr innewohnenden Informationsgehalt den Anspruch der Wahrheit. Aber Wahrheit ist nicht von dem Munde zu trennen, aus dem sie dringt. Egal, ob in der Vergangenheit oder heute, der Ursprung von Wissen ist stets der Mensch. Und genau von diesem handelt dieses Buch.«

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