Pop I: Things Have Changed

Im September 2015 befasste sich der komparatistische Workshop mit dem Titel Pop! Pop! Pop! – Authentizität und Künstlichkeit als Parameter der Inszenierung von Popmusik mit verschiedenen Fallstudien, die der Authentizität in populärer Musik nachgehen. Muss man getötet haben, um authentischer Black-Metal-Adept zu sein? Darf eine authentische Country-Sängerin steinreich sein? Wie kritisch ist die authentische Selbstironisierung emanzipatorischer Hip-Hop-Protagonisten? Welche authentischen Erfahrungen sind nicht im Fanshop zu kaufen? Litlog versammelt die Beiträge der TeilnehmerInnen zu einem zehntaktigen Pop-Zyklus. Wir beginnen mit Daniel Stein, der sich auf die Suche nach Authentischem bei der Country-Sängerin Loretta Lynn gemacht hat.

Von Daniel Stein

Artikelbild: Collage aus Pop Pop Pop von Julia Benner und Loretta Lynn (at City Stages 2005 in Birmingham) von Scott Schram via Wikimedia.

Loretta Lynn wurde 1932 als Loretta Webb in Kentucky geboren, in Butcher Holler, einer kleinen Ansammlung von Häusern in den Bergen, in denen Grubenarbeiter mit ihren Familien wohnten. Sie wuchs in armen Verhältnissen auf, heiratete mit 15 Jahren und war mit 20 Mutter von vier Kindern. Mit Anfang 20 startet sie ihre Karriere als Country-Sängerin. Ihre Lebensgeschichte ist aus der Welt der Country-Musik nicht mehr wegzudenken. Das hat mit einer medienübergreifenden Praxis autobiografischer Selbstinszenierung1Zur Theorie medienübergreifender Selbstinszenierungen siehe Stein, Daniel: Music Is My Life. Louis Armstrong, Autobiography, and American Jazz. Ann Arbor, 2012. Zum Genre der Musikerautobiografie siehe Butler, Martin, Daniel Stein (Hg.): »Musical Autobiographies. An Introduction«. Musical Autobiographies. Hg. Martin Butler, Daniel Stein. Popular Music and Society 38.2 (2015), S. 115-121. zu tun, die zwischen den Polen Authentizität und Artifizialität oszilliert. Dass diese beiden Pole im Mittelpunkt der folgenden Überlegungen stehen, sollte mit Blick auf Richard Petersons Creating Country Music: Fabricating Authenticity und Lynns bekanntestes Lied, »Coal Miner’s Daughter«, nicht überraschen.

Der Song erzählt Lynns Lebensgeschichte, indem er die Armut im Butcher Holler der 1930er und 1940er Jahre beschreibt und Lynns Status als erfolgreiche Country-Sängerin nicht thematisiert. Dieser Status erschließt sich höchstens in den letzten beiden Strophen aus dem Kontrast zwischen Gegenwart (»I’m«) und familiärer Vergangenheit (»I remember« bzw. »back then«). Zudem leitet er sich aus der Haltung des lyrischen Ichs gegenüber der Vergangenheit ab: Lynns Stolz auf ihre Heimat betont familiäre Wurzeln und erinnert gleichzeitig an ein vergangenes Amerika. »And a lot of things have changed since a’way back then«, singt sie, und evoziert damit nicht nur ein früheres Ich, sondern ruft auch das in den Appalachen gelegene Amerika einer armen Landbevölkerung auf, die fernab von Luxus und Kommerz und trotz aller Entbehrungen glücklich ist. Was genau sich verändert hat, erschließt sich nur aus dem Kontext: Lynn ist zur Zeit der Plattenaufnahme bereits eine bekannte Country-Sängerin.

Coal Miner’s Daughter als Autobiografie

Die erste Zeile von Coal Miner’s Daughter, »I was borned a coal miner’s daughter«, markiert den autobiografischen Anfang, zumal der Geburtsort Butcher Holler und die Arbeit des Vaters in den Van Lear Mines mit Lynns Biografie übereinstimmen.

Pop! Pop! Pop!

Pop als Feld permanenter Aushandlungsprozesse braucht Authentizität. Der Verweis auf realness und fake, street credibility und wahre Identität dient in der populären Musik dazu, sich nach außen und innen zu vergewissern. Gleichzeitig ist Authentizität immer dann vorbei, wenn man sie als solche begrifflich zu fassen beginnt. Nach der Ringvorlesung des Wintersemesters 2014/15 an der Universität Göttingen hat sich im September 2015 auch ein komparatistischer Workshop in intensiven Diskussionen dem Thema populärer Musik gewidmet und dabei Phänomene der Authentizität und Artifizialität in den Fokus gerückt. In der Reihe Pop! Pop! Pop! präsentieren die VeranstalterInnen Julia Benner, Anna Bers und Niels Penke auf Litlog die einzelnen Beiträge des Workshops.

Nun ist das Besondere am autobiografischen Erzählen das Versprechen auf eine authentische, selbst erfahrene und verfasste Lebensgeschichte. Wer könnte mit mehr Autorität über sein eigenes Leben sprechen, als die Person, die ihre eigenen Gedanken und Gefühle erinnern und aufzeichnen kann? Coal Miner’s Daughter wird damit zum Teil einer als authentisch inszenierten, medienübergreifenden Lebensgeschichte. Denn wenn ich von Coal Miner’s Daughter spreche, denke ich auch an Lynns gleichnamige erste Autobiografie (1976) und das ebenso betitelte und 1980 mit Sissy Spacek und Tommy Lee Jones in den Hauptrollen verfilmte Biopic (USA, Michael Apted). Lynns zweite Autobiografie Still Woman Enough (2002) und Bücher wie You’re Cookin’ It Country: My Favorite Recipes and Memories (2004) sowie Honky Tonk Girl, My Life in Lyrics (2012) ergänzen das medienübergreifende Korpus.

Authentizitätsfabrikation

Richard Peterson schreibt in Creating Country Music: »The ironic phrase ›fabricating authenticity‹ […] highlight[s] the fact that authenticity is not inherent in the object or event that is designated as authentic but is a socially agreed-upon construct in which the past is to a degree misremembered«. Und weiter: »This tailoring of collective memory to serve the needs of the present […] can take several forms depending on who has the power to enforce their distinctive interpretations of the past«.2Peterson, Richard: Creating Country Music. Fabricating Authenticity. Chicago: U of Chicago P, 1997, S. 5, 6 Hier wird das Potenzial von Coal Miner’s Daughter in all seinen medialen Ausprägungen deutlich. Wenn kollektive Erinnerung notwendig ist, um Country als authentische Musikform zu legitimieren, dann erinnern Lebensgeschichten wie die von Lynn nicht nur an ein prominentes Musikerinnenleben, sondern authentisieren ein ganzes Musikgenre.

Allerdings muss diese Lebensgeschichte erst einmal erzählt werden. Und das muss vor dem Hintergrund eines Erfolges geschehen, der Lynn zur Celebrity gemacht hat. Pamela Fox spricht von einer Diskrepanz zwischen »rural poverty« und »glamorous wealth« und dem Problem, die Lebensgeschichte so zu erzählen, dass das als authentisch deklarierte Ich vor dem Erfolg trotz Ruhms und Reichtums immer als das gleiche authentische Ich wahrgenommen werden kann. So erinnert Lynn in Still Woman Enough:

I was playing Las Vegas and I asked Ernest [Tubb] to be on the show with me. I surprised him and had the stage remodeled to resemble the Orpy stage. That really touched him, and he told somebody that I was the only person he ever saw who never changed after she became famous. That really touched me.3Lynn, Loretta, Patsy Bale Cox: Still Woman Enough. New York 2002, S. 10

Hier wird der Anspruch formuliert, sich nicht verändert zu haben und authentisch geblieben zu sein. Allerdings ist der Auftrittsort Las Vegas, das Paradebeispiel für die postmoderne Kultur der Kopie ohne Original, das Simulacrum in der Welt der Hyperrealität, und das Bühnendesign ist eine Reproduktion der Grand Old Opry, des Austragungs- und Aufzeichnungsorts der erfolgreichsten Radiomusikshow der USA (seit 1925).

Der Vermerk auf die Las Vegas-Version der Opry-Bühne als »remodeled to resemble« steht wohl nicht ganz zufällig neben Lynns Verweis auf ihre Adelung als authentische Country-Persönlichkeit durch die Legende Ernest Tubb. Denn er versucht, den »performativen Widerspruch« (Susanne Knaller) aller Authentizitätsbekundungen aufzulösen:

Der/diejenige, der/die Authentizität für sich beansprucht, dementiert diese im Akt des Behauptens zugleich. Der Wunsch »Ich will authentisch sein« (in meinem Handeln und Kommunizieren, in meinen Äußerungen über mich selbst) […] zeig[t] als Satzform[] […] die unumgängliche, für den Authentizitätsbegriff bestimmende paradoxale Relation von Selbst- und Fremdreferentialität.4Knaller, Susanne: Ein Wort aus der Fremde. Geschichte und Theorie des Begriffs Authentizität. Heidelberg2007, S. 24.

Lynn wählt vordergründig die Form der Fremdrefentialität (Tubbs Aussage). Allerdings handelt es sich hier um indirekte Rede (»he told somebody«), die durch die autobiografische Erzählung in eine Ich-Perspektive und damit in einen selbstreferentiellen Verweis umgewandelt wird.

Autobiografie als Erinnerungskultur

Lesen wir Lynns Lebensgeschichte als ein Konstrukt, und damit als etwas Fabriziertes, das sich über mehrere Medien erstreckt, kommen wir der Bedeutung autobiografischer Erzählungen in der Country-Musik näher. Peterson fragt:

How is it that country music has retained in its lyrics and in the images of its leading exponents the dualistic, populist, individualist, fatalistic, antiurbane zeitgeist of poor and working-class Southern whites, although most of its fans do not have these characteristics? In a word, how has it maintained its distinctive sense of authenticity?5Peterson 1997, S. 9.

Die Antwort liegt in der Verbindung von kultureller und individueller Erinnerung, die in der Autobiografie besonders eng gefasst ist. Lynns Kindheitserinnerungen – an das Elternhaus, die Entbehrungen der Bergbevölkerung, den Familienzusammenhalt – sind immer auch Erinnerungen an das Amerika der Großen Depression und der Kriegsjahre und damit an eine Zeit vor der postindustriellen Konsumgesellschaft mit ihrem endlosen Warenangebot und ewig gleichen Motels und Malls.
Lynns autobiografische Erzählungen leisten somit zweierlei: Sie blicken auf ein früheres, authentisch scheinendes Amerika zurück, und sie insinuieren, dass dieses Amerika auch in einer postmodernen Kultur nicht verschwinden muss. Die Bühnenrekonstruktion der Grand Old Opry in Las Vegas entpuppt sich nicht allein als kulturindustriell produziertes Simulacrum, sondern auch als Lynns Hommage an die Anfänge ihrer Karriere und an die Menschen, mit denen sie diese Bühne geteilt hat.

Inszenierte Authentizität

Es handelt sich bei Lynns Autobiografien um Formen inszenierter Authentizität, die trotz ihrer Fabriziertheit authentisch bleiben sollen, die sich also mit dem Verlangen nach dem Authentischen auch dann noch vereinbaren lassen, wenn sie offen ausgestellt wird. Dies kann nur funktionieren, wenn diese Authentizität durch die »Glaubwürdigkeits- und Autoritätszuschreibungen«6Knaller 2007, S. 22. gewährleistet wird. Beispiele hierfür sind die Huldigungen, mit denen sich Honky Tonk Girl: My Life in Lyrics schmückt. Auf der Rückseite des Covers und des Backcovers finden wir Lobeshymnen auf Lynn wie die folgende von John Carter Cash:

Loretta Lynn is one of these real and forthright folks, nothing forced or faked about her character. She is the genuine ›real deal‹, and what you see is what you get. […] She is the living embodiment and a reminder of the fact that greatness does not come from an illusion but from an honest and truly good heart.7Lynn, Loretta: Honky Tonk Girl. My Life in Lyrics. New York: Knopf, 2012, o.S.

Reba McEntire betont, »Our fans know a fake – she’s not one«; von Alan Jackson lesen wir: »When you hear her voice, there’s just something about it that sounds real. And when you see her live, she’s just so honest and likeable. She’s not putting on any front or anything. And in person, she’s exactly the same way – she’ll say exactly what she thinks and means«.8Lynn 2012, o.S. Diese Aussagen stellen eine Kontinuität von Lynns Musik zum Pop-Country von Alan Jackson und Reba McEntire her. Das Country-Genre schreibt hier seine eigene Genealogie, indem es disparate Lebens- und Musikgeschichte(n) vereint.

Bildnarrative

Pamela Fox identifiziert mit Blick auf die Fotos in Lynns Büchern eine Dynamik der Renaturalisierung und Denaturalisierung. Diese Fotos zeigen eine Zeit vor dem Erfolg und eine Zeit danach. Sie haben laut Fox zwei Funktionen:

[to] record her transformation from »ordinary« girl into »star« […]; and [to] insist upon her enduring country authenticity […]. In asking the reader to treat these images as what Paul Jay terms »visual memory« in the autobiographical text, the insert attempts to close the gap between the real and performing selves – to achieve a kind of damage control as new identities (or fragments thereof) seem to proliferate in the narrative.9Fox, Pamela: »Recycled ›Trash‹. Gender and Authenticity in Country Music Autobiography«. In: American Quarterly 50.2 (1998): S. 234-266, hier: S. 239.

Loretta Lynns Elternhaus in Butcher Holler, Kentucky. (Childhood home of Loretta Lynn in Kentucky aus der public domain via Wikimedia.)

In Coal Miner’s Daughter wird dieses Narrativ durch autobiografische Bildunterschriften unterstützt. Die von Fox beschriebene Diskrepanz zwischen ordinary girl und star sowie zwischen real und performing selves wird dadurch naturalisiert, dass die Wandlung von einer konstanten Erzählstimme begleitet wird.10Vgl. Fox 1998, S. 240. Dass diese Erzählstimme den Denaturalisierungsdruck, der durch die Fotos ebenfalls entwickelt wird, nicht vollends ausgleichen kann, ist klar. Denn wenn wir zwischen dem am Anfang der Fotoserie gezeigten Holzhaus von Lynns Eltern in den Bergen Kentuckys und dem später abgelichteten Gutshaus Hurricane Mills hin- und her-blättern, werden der soziale Aufstieg Lynns und damit auch eine Entwicklung weg von den einfachen Lebensumständen der Kindheit und hin zur Extravaganz sichtbar. Dieser Sichtbarkeit treten Publikationen wie You’re Cookin‘ It Country: My Favorite Recipes and Memories entgegen. Das Buch enthält neben Fotos von Lynn am Küchentisch beim Probieren von Mahlzeiten mit Ehemann Doolittle und einer Vielzahl von Familienrezepten auch Vignetten aus dem Leben der Sängerin, die ihre Bodenständigkeit herausstellen.11Lynn, Loretta: You’re Cookin’ It Country. My Favorite Recipes and Memories. Rutledge Hill 2004.

Authentizität vs. Artifizialität

Lynn mag zwar eine anerkannte Sängerin und Schreiberin autobiografischer Songs sein, sie kann allerdings nicht einfach in die Rolle der literarischen Autorin schlüpfen:

As Lynn so boldly confesses in [Coal Miner’s Daughter], one identity does not necessarily translate into the other […]. The autobiographical memoir, in other words, cannot be conflated with autobiographical song: it establishes unique conditions of authorship and reception.12Fox 1998, S. 237.

Das Schreiben von Songs und das Verfassen einer Autobiografie unterscheiden sich grundlegend. Während Lynn als Songwriterin nicht auf die Hilfe von anderen angewiesen ist, ist sie das aufgrund ihrer selbst thematisierten und durch Faksimiles von Briefen und Originalsongtexten in Honky Tonk Girl belegten, allenfalls rudimentären Lese- und Schreibkenntnissen durchaus.

Das Angewiesen-Sein auf einen Ko-Autor, der aus Lynns Erinnerungen einen Text verfasst, ist im Kontext des Authentizitätsanspruchs der Autobiografien problematisch. Lynn ist gezwungen, die Wandlung von der Sängerin autobiografischer Lyrics zur Urheberin, wenn auch nur bedingt zur Autorin, autobiografischer Literatur zu legitimieren, und sie kann dabei nicht auf den Effekt ihrer gesprochenen bzw. gesungenen Stimme zählen. Hier zeigen sich die unterschiedlichen Wirkungsweisen von Musik und Text. Das Authentizitätsproblem

Lynn thematisiert das Authentizitätsproblem gleich zu Anfang von Coal Miner’s Daughter, indem sie den Vorwurf einer artifiziellen, vom New York Times-Reporter George Vecsey fabrizierten, Erzählstimme, aus dem Weg räumt. Im Vorwort (About Me and This Book) lesen wir:

Somebody said I should write all these memories down. But it ain’t like writing a song. I mean, when I get a title for a song, I scribble it down on a napkin or an old paper bag, anything that’s handy. Then when I get back to my room, I just start singing those words until I’ve got me a song.
People say I can’t read or write because I’ve only got about a fourth-grade education. But I can read and write some. I’m not pretending I know how to write a book – not even a book about me. […] [But] you can bet your last scrip penny I checked out every word before they sent it to the book company. And if I didn’t think it was true, out it went.
The first thing I insisted was that it sound like me. When all those city folks try to fix up my talking, all they do is mess me up. Like the way I pronounce the word »holler.« That’s our word for the low space between two mountains. City people pronounce it »hollow« but that ain’t the way I pronounce it. This is my book. Instead of using Webster’s Dictionary, we’re using Webb’s Dictionary – Webb was my maiden name.
So, when you’re reading this book, just try to picture me up on stage, singing my songs and clowning around, and try to hear me saying »Butcher Holler.« Then you know it’s me.13Lynn, Loretta, George Vecsey: Coal Miner’s Daughter. Chicago 1976, S. xiii-xv.

Loretta Lynn (at City Stages 2005 in Birmingham) von Scott Schram via Wikimedia

Fox bezeichnet diese Passage als »test of authenticity«. Der Test »conflates image, voice, and identity […] while simultaneously admitting that the voice is a fabrication carefully crafted by Vecsey«.14Fox 1998, S. 241. Geschriebener Text, gesprochene bzw. gesungene Sprache und Bühnenpräsenz werden intermedial aufeinander bezogen. Authentizität liegt demnach nicht in einem Medium allein begründet, sondern entsteht erst aus dem Zusammenspiel dieser Medien.

Fazit

In Still Woman Enough wird der Einfluss der Co-Autorin nicht thematisiert. Der Text liefert eine aktualisierte Fassung der ersten Autobiografie und des Biopic, indem er einzelne Darstellungen korrigiert, Lücken füllt und die Geschichte bis in die Gegenwart fortspinnt. Authentizität wird vor allem dadurch angezeigt, dass Lynn die Deutungshoheit über den Film reklamiert, ohne die Spannung zwischen Authentizität und Artifizialität aufzulösen: »What I learned from [the film] Coal Miner’s Daughter is that your stories become you, and you become your stories. And I believe folks love to hear about the back roads of this country«.15Lynn 2002, S. v. Hier sind gelebtes Leben und intermediale Lebensgeschichte nicht mehr voneinander zu trennen. Und auch im Genre der Country-Musik finden wir starke Authentizitätsdiskurse, die ihre Wirkmächtigkeit daraus entwickeln, dass man sie nicht einfach als kulturindustrielle Illusion oder kommerzielle Manipulation entlarven kann. Selbst wenn wir wissen, dass Lynns opulentes Cowboy-Outfit auf dem Titelbild von Honky Tonk Woman im Widerspruch zu dem eher schlichten Kleid steht, dass Lynn auf dem Cover von Coal Miner’s Daughter trägt, bleibt der Wunsch nach autobiografisch inszenierter Authentizität bei gleichzeitigem Bewusstsein für die Artifizialität jeder Inszenierung bestehen.

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