In vielerlei Hinsicht anders

Too Late ist ein Buch von und für die Leser*innenschaft der Bestsellerautorin Colleen Hoover. Das Buch fasst die Thematik psychischer Krankheiten nicht mit Samthandschuhen an und zeigt geschickt, dass es diesbezüglich Gesetzeslücken gibt.

Von Jasmin Hunger

Bild: Via piqsels, CC0

»Die Geschichte ist düsterer und krasser als meine sonstigen Romane«

Die US-amerikanische Autorin Colleen Hoover hat sich bisher durch ihre sehr sanften, weich geschriebenen und bewegenden Liebesgeschichten beliebt gemacht. Sie heben sich durch kleine Details von anderen Romanen ab. Durch ihren Debütroman Weil ich Layken liebe aus dem Jahr 2012 gewann Hoover weltweit eine große Fangemeinde.

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Colleen Hoover
 Too Late

Übers. von Katarina Ganslandt
 dtv: München 2019
 464 Seiten, 14,90€

Im Zentrum der Handlung des aktuellen Romans Too Late steht die als charakterstark gezeichnete Figur der Studentin Sloan, die durch Manipulation und Täuschung in eine kriminelle Szene gerät. Der Drogenboss Asa Jackson bindet sie an sich und führt eine einseitige Beziehung mit ihr. Diese ist geprägt von Verbrechen, Gewalt, Lügen und Drogen. Eine Szene, in der Sloan nach einem anstrengenden Tag nach Hause kommt, nur um aufzuräumen und sich um ihren nicht nur betrunkenen, sondern auch anderweitig berauschten Freund zu kümmern, etabliert den Alltag der Protagonistin. Dass sie sich selbst die Lage schönzureden versucht, obwohl die Ausweglosigkeit deutlich wird, macht Sloan nahbar. Hier zeigt sich, dass Colleen Hoover es versteht, heikle Fragen und Themen geschickt anzusprechen und die Leser*innenschaft für diese zu sensibilisieren.

Emotionaler Missbrauch ist allerdings nicht das einzige Tabuthema, das die Autorin einbindet. Ungeschönt, ehrlich und realitätsnah schreibt Hoover über psychische Krankheiten sowie darüber, dass Angehörige unterschiedlich damit umgehen. Sie weist geschickt auf Missstände in der Gesellschaft und auf Lücken in der Gesetzgebung hin. Unterschwellig gewinnt Hoover so die Leser*innen für Sloans Seite und bringt sie dazu, Position zu beziehen.

»gegen alle Regeln des Romanaufbaus«

Nach etwa zwei Dritteln des Buchs ist der Roman beendet. Allerdings erfolgt auf das eigentliche Ende ein Epilog und ein Epilog zum Epilog und dann noch ein Prolog. Dadurch wird das letzte Drittel zu einer Fortsetzung des Romans, die viel Plot nachträgt. Damit bricht Hoover mit den konventionellen Regeln eines Romans. Das ist im Verhältnis zu ihren anderen Büchern ungewöhnlich und sorgt zuerst für Verwirrung.

Sie begründet dies in den Anmerkungen am Ende des Buchs damit, dass die Geschichte ursprünglich eine Schreibübung zur Lösung einer Blockade war. In einem Interview habe Hoover die Existenz dieser Geschichte angedeutet, woraufhin eine enorm große Nachfrage nach der Veröffentlichung dieser Story entstand. Hoover beschloss, die bisherigen Texte kostenlos online für die Leser*innen zur Verfügung zu stellen und sie für Kommentare freizugeben. Diese Kommentare motivierten Hoover zu einer Erweiterung der Geschichte nach dem Ende. Die Ideen ihrer Leser*innen flossen mit ein. Das Buch Too Late vollzieht also die originale Entstehung der Geschichte nach. Das erklärt die nicht-chronologische Reihenfolge.

Wie üblich besitzt jede von Hoover beschriebene Figur Alleinstellungsmerkmale, die eine*n fesseln, sodass man alles um sich herum beim Lesen vergisst. Gerade das Zusammenspiel dieser sehr ernsten Themen und der eher düsteren Handlung mit der vielschichtigen Liebesgeschichte, mit ergreifenden Szenen und Eigenheiten, macht Too Late zu einem außergewöhnlichen Buch, das sich nicht nur hinsichtlich des äußeren Aufbaus auszeichnet. 

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