Giulia Beckers zweiter Roman, Wenn ich nicht Urlaub mache, macht es jemand anderes, verbindet Humor und Alltag. Einzelne Geschichten wechseln sich mit Selbsttests, Gedichten, Horoskopen und anderen Textarten ab. Dabei stellt sich die Frage, was diese Einzelteile zusammenhält.
Von Anna Witkowski
Einzelne Geschichten, Tipps zu den verschiedensten Themen, Gedichte, Selbsttests und vieles mehr – all das vereint Autorin Giulia Becker in ihrem zweiten Roman Wenn ich nicht Urlaub mache, macht es jemand anderes. Sie schafft es, ganz Alltägliches komödiantisch zu erzählen und schreibt mit viel Witz und Geschick. Dabei baut sie immer wieder überraschende Details ein, sodass in ihren Geschichten eigentlich so ziemlich alles schiefgeht, was nur schiefgehen kann. Ihre Figuren nehmen jedes Fettnäpfchen mit: Eine gescheiterte Autorin, die sich als Detektivin versucht und dabei schon am ersten Tag gefeuert wird, die Schließung eines Thermenhotels aufgrund eines Chlorunfalls und ein Dinner, bei dem sich die Missgeschicke aneinanderreihen, sind nur einige der skurrilen Geschichten, die in dem Roman zu finden sind. Beckers Geschichten haben vor allem eines gemeinsam: sie sind lustig und völlig überzogen.
Für Becker ist dies nicht der erste Schritt in das Auge der Öffentlichkeit: Sie ist als Fernsehmoderatorin und auch als Musikerin tätig, 2019 erschien ihr erstes Buch Das Leben ist eins der Härtesten. Seit 2020 ist sie gemeinsam mit Chris Sommer Moderatorin des Podcast Drinnies, der bereits dreimal den Deutschen Podcast Preis erhielt.
Ungewöhnlicher Aufbau?
Den größten Umfang des Romans nehmen die Kurzgeschichten ein. Zwischen den einzelnen Geschichten sind immer wieder Horoskope, Gedichte und Selbsttests, wie »Bin ich ein potenzieller Serienmörder? « eingeschoben. Außerdem werden allgegenwärtige Themen wie Urlaub, Hochzeit, Dating und sogar Tod nach der Art eines Ratgebers thematisiert: »Ein Ferienhaus ist die ideale Unterkunft für alle, die im Urlaub nicht darauf verzichten wollen, die Spülmaschine auszuräumen.« Somit ist der Roman eine bunte Mischung aus diversen Genres und Rubriken. Genauso locker wie der Zusammenhalt der Kapitel des Romans ist, lässt sich dieser auch lesen. Die perfekte Lektüre für den Urlaub also.
Sowohl der Aufbau als auch der Inhalt von Wenn ich nicht Urlaub mache, macht es jemand anderes sorgen immer wieder für Überraschung. Becker hat einen Roman geschrieben, der schwer aus der Hand zu legen ist. Die Einschübe bedeuten zwar eine Abwechslung und sind somit eine nette Idee, aber sie haben nicht die gleiche fesselnde Wirkung wie die Geschichten und hätten auch Platz für mehr von diesen räumen können. Die Ratgeber sind wiederum gelungen. Zwar sind diese nicht ernst zu nehmen, haben aber einen wahren Kern.
„Das perfekte Dinner“ hinter den Kulissen
Besonders unterhaltsam ist die Kurzgeschichte „Das perfekte Dinner“ – der gleichnamigen Fernsehshow nachempfunden – bei der fünf Teilnehmende der Show ihre Kochkünste unter Beweis stellen. Dabei sind ein Krankenhausclown, eine BWL-Studentin, ein Schornsteinfeger, eine Reiseverkehrsfrau und ein Versicherungsmakler, der zeitgleich der Gastgeber des Abends ist. Bei diesem Dinner folgt einem Unglück das nächste. Von einer Kopfverletzung über die tiefgekühlte Plazenta der Exfrau bis hin zu einem trockenen Alkoholiker, der seine Frau in dem Glauben lässt, noch zu trinken, um weiterhin auf der Couch schlafen zu können, ist alles dabei.
Auch die Gerichte, die der Gastgeber Matthias zubereitet, sind besonders, beispielsweise die 16-Stunden-Kartoffeln, die 12 Stunden lang mit Türstoppern beschwert werden. Dann ist da noch Matthias‘ Partnerin Schnibbel-Anja, die verbotenerweise bei der Zubereitung geholfen hat. Das bleibt natürlich nicht unentdeckt: »Glück im Unglück, dass [der Schornsteinfeger] Hagen am Montag die Hälfte der Zutaten bei seiner Hauptspeise aus Gründen der Aufregung vergessen und deshalb ein steinhartes und ungenießbares Pilzrisotto ohne Pilze serviert hat.« Der Abend könnte nicht chaotischer sein, und doch erhält er von einem der Teilnehmenden auf wundersame Art die volle Punktzahl.
Kommt die Message zu kurz?
Dieser Roman ist für alle, die das Gefühl haben, zu versagen und Pech im Leben zu haben. Die Missgeschicke, die den Figuren widerfahren, werden auf geniale Art geschildert. Immer wenn man denkt, »Was soll jetzt noch passieren?«, schafft es Becker, das Ganze noch einmal zu steigern. Die Geschichten beginnen meist harmlos und werden dann immer skurriler. Der Vergleich des eigenen Lebens mit Beckers Geschichten verändert die Perspektive, sodass die eigene Lebenssituation weniger unglücklich erscheint. Denn: Es ist schwer möglich, so viele Fehlschläge zu erleben wie Beckers Figuren. Es könnte noch viel schlimmer sein, das scheinen die Geschichten zu sagen. Es bleibt allerdings fragwürdig, was die Aussage der eingeschobenen Gedichte, Tests, Horoskope, etc. ist.

Wenn ich nicht Urlaub mache, macht es jemand anderes
Rowohlt: 2024
224 Seiten, 22 €
Denn diese wirken deplatziert zwischen den humorvollen Geschichten. Sie erwecken den Eindruck, nur als Seitenfüller zu dienen. Da der gesamte Roman eine Sammlung einzelner Stücke ist, stören diese Unterbrechungen zwar nicht den Lesefluss, sind aber dennoch weniger wichtig und auch weniger lustig. Besonders bei den Selbsttests stellt sich die Frage, was die Grundidee dieser ist. Die Themen der Tests sind im Gegensatz zu den Themen der Geschichten und Ratgeber nicht auf den Alltag anwendbar. Zum Serienmörder- und Vampir-Dasein können wohl die wenigsten Leser:innen einen Bezug finden. Wer also auf der Suche nach einer komplexen, zusammenhängenden Handlung ist, sollte nicht zu Beckers Buch greifen – wer aber bereit ist, etwas Besonderes zu lesen und Aufheiterung gebrauchen kann, macht mit Wenn ich nicht Urlaub mache, macht es jemand anderes nichts falsch.