»Du bist hierhergekommen, um zu verschwinden«

Es ging immer nur um Liebe heißt der 2022 im mairisch Verlag erschienene Debütroman von Musa Okwonga, der von Marie Isabel Matthews-Schlinzig aus dem Englischen übersetzt wurde. Der britisch-ugandische Autor, Journalist und Musiker schreibt in seinem autofiktionalen, dreigeteilten Werk über das Ankommen des Ich-Erzählers in Berlin, Rassismuserfahrungen, Angst, Hoffnung sowie die Reise zu den eigenen Wurzeln und zur (Selbst-) Liebe.

Von Alicia Lara Lemmermann

Bild: Via Pixabay, CC0

Musa Okwongas Roman Es ging immer nur um Liebe beginnt in Berlin. Dort findet der Ich-Erzähler einen neuen Zufluchtsort, nachdem er London verlassen hat. Während die Stadt ihn mal abweisend behandelt wie »das wahre Gespenst, das dich mit einem Flirren von wilden Versprechungen hereinzieht und dann urplötzlich das Interesse verliert«, sich dann wieder wie in einer »Liebesaffäre« verhält, kämpft der Protagonist nach einer Trennung mit Einsamkeit, den Schwierigkeiten des Online-Datings und allem voran der Liebe zu sich selbst. Die Erzählung besteht aus fragmentarischen Sequenzen, die in einzelnen Abschnitten Emotionen und Erlebnisse eindrücklich beschreiben. Dabei geht es auch um die Bedeutung des Zusammenhalts untereinander wie in seiner Fußballmannschaft, das Vermeiden des Blicks auf das eigene fast leere Konto und um die richtige Art, in Berlin Kuchen zu essen:

»Kuchen ist eine immer wiederkehrende Konstante in deiner Karriere als Künstler, jeder Bissen ist ein Meilenstein. Diese Stadt bietet ja viele Fluchtmöglichkeiten, viele Laster – deins ist Zuckerguss.«

So wie Berlin als Stadt laut Okwonga durch diverse Stimmungsschwankungen rauscht, so schafft das Buch ebenfalls, den Wandel von hoffnungsvoll (»Das wird schon wieder, wie immer«) zu schlichtweg bedrückend darzustellen, wenn beispielsweise die Verzweiflung über die unaufhaltsame Klimakrise oder Erfahrungen mit Biphobie geschildert werden.

Ängste und Selbstzweifel

Zwischen Alltagserzählung und Gesellschaftskritik schafft es der Autor durch die kontinuierliche direkte Ansprache der Leser:innenschaft, dass diese sich mit der Erzählerfigur verbunden fühlt. Genau das macht eindrücklich nachvollziehbar, wie es ist, mit Alltagsrassismus konfrontiert zu werden und in ständiger Angst vor gewaltsamen Übergriffen von Nazis zu leben, obwohl Berlin und die eigene Wohnung  doch ein sicherer Zufluchtsort sein sollten. Die Erzählung ist schmerzhaft real und genau deshalb so empfehlenswert.

»Und dann hast du auf deine dunkle Haut herabgeschaut und gedacht: Wie lange würde ein Mensch brauchen, der mich so sehr hasst, um mich zu finden?«

Die Angst und die Selbstzweifel, die den Erzähler grundsätzlich begleiten, sowie die immer wieder in Erscheinung tretende Depression, führen ihn letztendlich in die Praxis des Therapeuten Dr. Oppong, der, wenn notwendig, auch auf Voodoo als Therapiemethode zurückgreift. Nach der Zeit mit Dr. Oppong geht die Reise von Berlin aus weiter – diesmal zurück zu den eigenen Wurzeln, zurück nach Uganda in die Heimat seines Vaters, dessen Tod als Kämpfer im ugandischen Bürgerkrieg seinen Sohn nie losgelassen hat. Die Tatsache, dass der Erzähler bald das Alter erreichen wird, in dem sein Vater starb, befeuert seine existenziellen Ängste noch mehr. Die Reise, die der Erzähler lange vermieden hat, bringt ihn jedoch letztendlich dem Frieden mit der Vergangenheit und damit auch sich selbst ein gutes Stück näher.

Erfahrungen sichtbar machen

Der Erzähler ist auf seiner persönlichen Entwicklungsreise mit dem Wunsch zu verschwinden nach Berlin gekommen. Doch als er feststellt, dass er nicht nur weglaufen kann, stellt er sich der Realität und macht in der Erzählung für alle sichtbar, was nicht länger schweigend hingenommen werden darf – Rassismus, Intoleranz und Gewalt gegen Migrant:innen. Seinen selbstbezeichneten »Migrantenkörper« kleidet er nun in auffällig knalligen Farben. Er lässt nicht mehr zu, dass über ihn und seine Erfahrungen hinweggesehen wird.

Auch wenn der Autor mit Aussagen wie »Das Leben tanzt stets vorwärts« manchmal nur knapp kalenderspruchartigen Floskeln entgeht, macht der leichte Erzählstil Okwongas Erzählung eindringlich, persönlich und berührend. Mit dieser kraftvollen Mischung aus Selbstreflexion, Mitgefühl und der schonungslosen Darstellung von Rassismuserfahrungen in Berlin gelingt es dem Buch, nicht nur die Bedeutung von Selbstliebe und Heilung zu vermitteln, sondern auch einen maßgeblichen Beitrag zum dringend notwendigen Dialog über Rassismus zu leisten, der besonders von weißen Menschen wahrgenommen werden sollte.

macbook

Musa Okwonga
Es ging immer nur um Liebe

Übers. von Marie Isabel Matthews-Schlinzig
mairisch: Hamburg 2023
152 Seiten, 20,00€

Schlagwörter
, ,
Hinterlasse einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert