Ein US-amerikanischer Abend

Beim Göttinger Literaturherbst stellt Richard Ford sein neues Buch über Frank Bascombe vor, eine Vater-und-Sohn-Geschichte. Im Gespräch mit Margarete von Schwarzkopf und Benno Fürmann, der die deutsche Übersetzung liest, gibt der Autor Einblicke in seine Gedanken über die US-amerikanische Geschichte und die Zukunft seines Schreibens. Dass die Vereinigten Staaten eine politisch gespaltene Nation sind, wird spürbar.

Von Lisa Neumann

Bild: Lisa Neumann

Valentinstag ist der bereits fünfte Roman Fords über Frank Bascombe, einen Sportjournalisten und Immobilienmakler. Darin ist Frank bereits 74 Jahre alt und bei seinem Sohn Paul wird die Krankheit Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) diagnostiziert, welche fortschreitende Muskellähmungen verursacht. Paul wird bald sterben und sein Vater ringt mit der ihnen noch verbleibenden Zeit.

Eine Reise zu Mount Rushmore

Frank beschließt mit Paul eine letzte Reise nach Mount Rushmore zu unternehmen, jenem für die Native Americans heiligen Berg, der die Gesichter von vier US-Präsidenten trägt. Eine ganz US-amerikanische, doppeldeutige Reise, wie Ford im Gespräch sagt. Denn die Reise von Osten nach Westen verfolgt die Route, die bereits die ersten weißen Immigranten in das Land nahmen, als sie es gewaltsam kolonialisierten. Damit ist die Reise zugleich eine Erinnerung an die brutale, weiße US-amerikanische Geschichte.

Vater und Sohn kommen sich wieder näher. Berührend sind vor allem die kleinen, bedeutsamen Momente zwischen ihnen, die Ford erfasst: Als Paul seinem Vater eine Valentinskarte schenkt zum Beispiel, die er aufgrund seiner Krankheit nicht mehr unterschreiben kann, oder als er zu Frank sagt, dass dieser sein »Lieblingsarschloch« sei. Benno Fürmann liest die Redeanteile von Paul in der deutschen Übersetzung authentisch stockend und sehr emotional, ein auch schauspielerisch gelungener Abend. Im Gespräch sagt Ford über sein Schreiben:

»Everything I tried to write in my life, I seeked out opportunities for someone to say ›I love you‹.«

Das ist auch das zentrale Thema der Vater-Sohn-Geschichte: Wie können sich die beiden noch einmal nah sein, sich eingestehen, wieviel ihnen der jeweils andere bedeutet?

Die USA als politisch gespaltene Nation

Im Gespräch mit Ford klingt auch an, wie sehr er Donald Trump als Bedrohung für die Demokratie in den USA und die Lage der Nation sieht: »America is a dangerous place today.« Der Autor bezeichnet die Nation als Land, das seinen Halt (und damit sicherlich auch gemeint: seinen gesellschaftlichen Zusammenhalt) immer mehr verliert. Da der Roman mit einem Prolog beginnt, in dem Frank über das Glück und den ›pursuit of happiness‹ nachdenkt, der in der US-amerikanischen Verfassung verankert ist, stellt sich unweigerlich die Frage, ob die Zukunft der Nation noch eine glückliche sein kann.

Ein Autor am Ende seines Lebenswerks?

Von Margarete von Schwarzkopf gefragt, ob dies sein letztes Buch sei, antwortet Ford, dass er bestimmt wieder schreiben werde, wenn die Langeweile ihn einhole. Andererseits wolle er auch nicht als Autor mit einem halb fertigen Buch sterben: »I don´t wanna be the guy who falls dead on a desk with a half-finished book.« Richard Ford scheint sein Lebenswerk mit den Büchern um Frank als Figur bereits geschaffen zu haben, dennoch können Lesende auf weitere Bücher hoffen, solange der Autor lebt. Ford erscheint bei seiner Lesung als nachdenklicher, humorvoller Charakter, dessen Wesen sich in seinen Werken spiegelt und der am Ende des Gesprächs aus seiner Jackett-Tasche ein rotes Notizbuch zieht, worin er alle Ideen und Gedanken festhalten wolle. Wie der Autor selbst ist die Lesung ein erfolgreicher, US-amerikanischer Abend.

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