Let’s Talk Climate!

fridaysFuture©DorotheaHeise

Sicher: Die Klimadebatte gehört auf die Theaterbühnen. Aber wie? Das Junge Theater hat sich mit fridays.future. an einer Inszenierung versucht, die das Reden über das Klima auf einer Metaebene reflektiert. Eine gelungene Aufführung – und ein unfreiwillig ironisches Nachspiel.

Von Merten Kröncke

Bilder: © Dorothea Heise

Sich mit den öffentlichen Debatten der Gegenwart zu befassen und in ihnen Stellung zu beziehen, gehört zweifellos zu den bedeutenderen Aufgaben des Theaters. Was also läge näher als ein Stück über das Klima? Immerhin lässt sich kaum ernstlich bestreiten, dass der Klimawandel und die Klimabewegung samt ihrer Galionsfigur Greta Thunberg zu den meistdiskutierten Phänomenen unserer Zeit zu rechnen sind. Und dass sich das Theater eher auf die Seite Thunbergs als auf die Seite der sogenannten ›Klimaskeptiker‹ schlagen wird, darf als ausgemacht gelten. So weit, so vorhersehbar. Spannender ist die Frage, inwiefern die Klimadebatte als Sujet eines Stückes taugt, das nicht nur dem politischen Bedürfnis, das ›Richtige‹ zu sagen, sondern auch genuin ästhetischen Ansprüchen Rechnung zu tragen vermag. Wie zum Beispiel lassen sich Ambivalenz und Komplexität herstellen, wenn doch die darzustellende Sachlage – der Klimawandel als gigantische Bedrohung, die ergriffenen politischen Maßnahmen als unzureichende Pseudolösungen etc. – in ihren Grundzügen so evident zu sein scheint? Wie lässt sich die Klimathematik in ein Theaterstück überführen, das mehr bietet als eine bloße Rekapitulation der Forderungen von fridays for future? Das Junge Theater in Göttingen hat derartigen Herausforderungen ins Auge geblickt und sich an einem Klimastück versucht. Reden über das Reden über den Klimawandel

In dem Stück fridays. future., das am 07. Februar im Jungen Theater Premiere feierte, begegnet den Zuschauer*innen Xara, eine Zeitreisende aus dem Jahr 2135 (Lisa Schreiber), die eine Kostprobe jener apokalyptischen Narrative bietet, welche ausgehend von den gegenwärtigen Defiziten der Klimapolitik nichts Geringeres als das Ende der Welt prognostizieren. Die Darstellerin kann das Publikum gar dazu animieren, mit »Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Zukunft klaut« einen veritablen Evergreen der fridays for future-Bewegung zu skandieren. Das ist gefällig inszeniert; als wirklich gehaltvoll erweist sich das Stück allerdings erst insofern, als es schon bald kippt und eine Metaebene eingezogen wird: Noch innerhalb der Fiktion entpuppt sich das dargestellte Geschehen als Theaterinszenierung und die Zeitreisende als Schauspielerin; Thema ist fortan neben dem Klima das Reden über das Klima. Die ebenso relevante wie interessante Frage, der sich fridays. future. durch das Spiel mit den verschiedenen Ebenen widmen kann, lautet: Welche Redepraktiken können effektiv für einen engagierteren Klimaschutz werben? Dieser kluge Perspektivenwechsel macht den eigentlichen Reiz des Stückes aus.

Lisa Schreiber in fridays.future. Bild: Dorothea Heise

Lisa Schreiber schlüpft in eine Vielzahl von Rollen, eine bunte Mischung verschiedenster Sicht- und Redeweisen wird offenbar. Unter anderem kommen Stimmen aus der Schule, der Wissenschaft und der Politik zu Wort. Für besondere Heiterkeit sorgt Schreibers parodistische Imitation des Verkehrsministers Andreas Scheuer inklusive bayerischen Akzents. Warum wir das alles als Ein-Personen-Inszenierung geboten bekommen, ist zwar angesichts der beachtlichen Stimmenvielfalt innerhalb der Klimadebatte nicht gerade offensichtlich, doch das Stück kann die Beschränkung auf eine einzige Darstellerin durch die zahlreichen Rollenwechsel Schreibers und durch ihre Dialogizität andeutenden Publikumsansprachen ganz gut kompensieren. Am Ende der Aufführung dürfte die Montage der Rollenaussagen und der Reflexionspassagen, in denen sich Schreiber direkt an die Zuschauer*innen wendet, das Publikum zu der Erkenntnis geführt haben, dass die ganze Situation doch ein bisschen vertrackter ist, als die Agitation der zu Beginn auftretenden Zeitreisenden vermuten ließ.

Ein unfreiwillig ironisches Ende

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Junges Theater

Das Junge Theater Göttingen entstand 1957 als innovatives und alternatives Zimmertheater. Seit 1976 befindet sich das Junge Theater im Otfried-Müller-Haus, das als öffentlicher, kultureller und politischer Ort angesehen wird. Seit 2019 ist es zwischenzeitlich in die ehemalige Voigt-Realschule an der Bürgerstraße eingezogen. Informationen zu fridays.future. und künftige Spieltermine sind hier nachzulesen.   

Mit dem Bekenntnis zur Komplexität der Klimathematik hätte der Theaterabend eigentlich zu Ende sein können und, das wird man angesichts der folgenden Ereignisse sagen dürfen, wohl auch zu Ende sein müssen. Noch während des Applauses für Lisa Schreiber kommen Nico Dietrich und Christian Vilmar, beide verantwortlich für Text, Inszenierung und Ausstattung, auf die Bühne. Sie beginnen, in direkter Ansprache an das Publikum, verschiedene Möglichkeiten, das Klima besser zu schützen, in den Raum zu werfen. Das ist nett gemeint und angesichts der Tatsache, dass das Stück ja selbst schon den Kontakt zum Publikum gesucht hatte, nur konsequent.

Die Idee ist also gut – die Ausführung ist es nicht. Was nämlich als dynamischer Dialog mit dem Publikum intendiert gewesen sein dürfte, entwickelt sich zu einem lahmen, monologischen Vortragen von Zahlen und Fakten, die Dietrich und Vilmar ernsthaft von Notizzetteln ablesen müssen! Die Hauptdarstellerin Lisa Schreiber steht artig lächelnd, indes völlig funktionslos daneben. Dietrich und Vilmar schien selbst aufzugehen, dass ihr Auftritt zutiefst antiklimaktisch wirkte, zumal das Publikum die beiden letztendlich sogar explizit auf die Langweiligkeit ihrer Performance hinweist. O-Ton Dietrich: »Wir werden’s beim nächsten Mal ein bisschen knackiger und schöner hinkriegen.«

Das ist dem eigentlich gelungenen Stück nur zu wünschen und dürfte auch gar nicht so schwer umzusetzen sein. Zumindest der Abschluss der Erstaufführung konnte aber nur unfreiwillig ironisch wirken. Immerhin endet ein Theaterabend, der gerade die Suche nach möglichst effektiven Redeweisen zum Thema hatte, selbst mit einer völlig ineffektiven Rede.

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