Im Zentrum: Göttingen

Am 11. Dezember stellte das Literarische Zentrum Göttingen das Programm für das Frühjahr 2026 vor. Vielfältige Abende zu Kunst, Literatur und Politik werden präsentiert – ebenso ein spannendes Kinder- und Jugendprogramm wie auch ein Abend im Zeichen der Bierkultur. Auffällig ist ein starker Göttingenbezug, sowohl bei den Autor:innen als auch bei den Kooperationen.

Von Lisa Marie Müller

Bild: Lisa Marie Müller

Die Farbauswahl der Programmhefte ist wie immer sehr gelungen, dieses Mal ist es ein frisches Grün geworden, das den Frühling erahnen lässt. In den grünen Heftchen findet sich ein wie gewohnt politisches, aktuelle Fragen aufgreifendes und belletristisch spannendes Programm. Die Präsentation der kommenden Veranstaltungen beginnt mit dem Kinder- und Jugendbereich. Neben vielen Aktivitäten außer Haus, beispielsweise das Veranstalten von Schreibwettbewerben an Schulen, gibt es gut erprobte Veranstaltungen wie den Familiensonntag, der weiterhin stattfindet. Doch auch neue Veranstaltungsformate wie der Entdeckungsworkshop »Augen auf, der Frühling kommt!«, der sich an die sehr gelungene Gartenblütenlese des vergangenen Sommers anlehnt, sind dabei. Das allgegenwärtige Thema KI soll mit Kindern im Rahmen des neuen Programms behandelt werden. Hierzu gibt es am 17. Februar eine Lesung aus Ada und die künstliche Blödheit, bei der die Schwächen von KI in den Fokus rücken. Zusammen mit Autorin Manja Pränkels können sich Teilnehmende in der Schreibwerkstatt zur Demokratieförderung einer »Weltreparatur« der Welt von Morgen annähern.

Politisch und aktuell wird auch das Abendprogramm. Die internationalen Wochen gegen Rassismus der Stadt Göttingen am 16.03. eröffnet die Autorin Tupoka Ogette mit einer Lesung aus ihrem bald erscheinenden Buch Trotzdem zuhause. Beim Abend zur Graphic Novel Die Frau als Mensch wird mit in der Forschung entstandenem vermeintlichen Wissen über Steinzeitmenschen (bzw. Steinzeitmänner) aufgeräumt, in dem die wissenschaftliche Interpretation von Geschlechterverhältnissen hinterfragt und genau angesehen wird. Anna Bers moderiert diesen Abend über das mit dem Sachbuchpreis ausgezeichnete Buch von Ulli Lust. Weitere klug gewählte Autor:innen die zu Gast sein werden, sind Daniel Schreiber mit seinem neuen Essay Liebe! Ein Aufruf sowie Gilda Sahebi mit einem Buch über politische Narrative und darüber, wie sie zu autoritären Instrumenten werden können: Verbinden statt spalten. Beide Autor:innen setzen sich mit dem aktuellen Zustand gesellschaftlicher Debatten auseinander und bieten konstruktiv-solidarische Lösungen – sei es durch eine »Politik der Liebe« (Schreiber) oder das Erkennen und Überwinden spaltender Narrative (Sahebi).

Lokalberühmtheit

Bei der Pressekonferenz hervorgehoben wird der Göttingenbezug vieler Veranstaltungen, der bei diesem Programm tatsächlich auffällig ist – z.B. beim Abend für Inge Feltrinelli. Die Verlegerin hat ihre Jugend in Göttingen verbracht und hat Fotobände im Göttinger Steidl Verlag veröffentlicht. Direkt am nächsten Abend spricht Michael Krüger mit dem Göttinger Wallsteinverleger Thedel von Wallmoden. Göttinger Verlage sind somit sowohl Thema als auch Kooperationspartner. Ein Abend, der sich nur Debüts widmet, ist auch in diesem Programm wieder vorhanden, jedoch mit einem »Göttingen Spezial«: Zwei Debüts, beide aus Göttingen. Die viel gelobten Romane Rift (Steidl 2025) und ë (Wallstein 2025) werden 2026 im Literaturhausvorgestellt und der Abend von Alexandru Bulucz moderiert (der auch erst kürzlich für die Anna-Vandenhoeck-Gastdozentur für Literaturkritik in Göttingen zu Gast war).

Der gern gesehene Gast Saša Stanišić kommt auch am 28. Januar wieder nach Göttingen. Diesmal mit seinem neuen Buch, das »wie immer einen kurzen und knackigen Titel hat« (wie eine Berry Steenken treffend sagt): Mein Unglück beginnt damit, dass der Stromkreis als Rechteck abgebildet wird. Eine Ermutigung. Darin gesammelt sind Reden, die er zu verschiedenen Anlässen gehalten hat. Auch zur Eröffnung des Literaturhauses hielt Stanišić eine Festrede, die nun einen Platz im neuen Buch gefunden hat und ihm einen guten Grund gibt, Göttingen zu besuchen. Die Veranstaltung wird von Gerhard Kaiser moderiert.

Lokal(e): Möglichkeiten

Die wahrscheinlich trinkfreudigste Abendveranstaltung »Gebrauchsanweisung für Bier« am 11. Februar mit Jaroslav Rudiš findet im Literaturhaus statt. Vielleicht kann der Veranstaltungsort für diesen Abend noch einmal überdacht werden: Es gibt so viele wunderbare Kneipen in Göttingen, da wäre es eine vertane Chance, das Thema nicht noch in einen passenderen Raum zu bringen. Kneipen sind ähnlich wie Literaturhäuser Orte des sozialen Austauschs, der Meinungsbildung und des Zusammenkommens – und sie sind vom Aussterben bedroht. Dort die Kultur des Bieres zu vermitteln, wäre nur konsequent, denn auch da geht es letztlich (unter anderem) hautnah um bierkulturelles Erbe und gesellschaftliche Debatte.

Die alljährlich stattfindenden Lichtenberg-Poetikvorlesungen werden dieses Frühjahr von Regisseur Dominik Graf unter dem Titel »Selbstbild und Systemzwang« gehalten. Das Programm verspricht, spannend zu werden. Wer über eine der Veranstaltungen für Litlog berichten möchte, kann sich gern unter info@litlog.de melden.

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